Impulse

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Impulstexte

gesucht-gefunden

Das Benedictus in unserem täglichen Morgengebet beginnt mit den Worten: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels!Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen … Noch etwas unausgeschlafen machte ich vor kurzem daraus „… er hat sein Volk ge-sucht und …“.
Zuerst musste ich innerlich schmunzeln. Dann aber begleitete mich dieser Versprecher durch den ganzen weiteren Tag.
Ich dachte an meine eigene Lebensgeschichte. Immer wieder durfte ich erfahren, dass Gott nicht lockergelassen hat, egal welche (Irr-) Wege ich auch einschlug. 
Das ganze Alte Testament handelt von der Suche Gottes nach seinen Menschen, nach seinem Volk. Er schickt ständig neue Propheten und lässt nichts unversucht. Im neuen Testament wird Gottes Suchen nach uns besonders anschaulich im Gleichnis vom verlorenen und dann wiedergefundenen Schaf, über das die Freude viel größer ist als über die restlichen 99 Schafe (Mt 18, 12-14). 
Ich glaube wirklich, Gott kann einfach nicht anders. Er will Beziehung mit uns und hat uns dazu geschaffen. Jeder Mensch ist ein von Gott Gesuchter. Gott gibt alles, um uns zu motivieren, unsererseits ihn in unserem ganz normalen Alltag zu suchen. Im Buch Jeremia (13-14) zum Beispiel lädt Gott uns ganz offen genau dazu ein: Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden …  
Wir können uns nur auf die Suche nach Gott und seinen Spuren in unserem Leben machen, weil er uns zuerst gesucht hat. Das durfte ich in meinem bisherigen Leben erleben. Jedes noch so bruchstückhafte Finden weckt in mir die Sehnsucht nach mehr und löst die erneute Suche aus. Ob es Gott mit seiner Sehnsucht nach uns ähnlich geht?           
Eine alte chassidische Geschichte deutet darauf hin:

Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber musste er weinen, kam weinend in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über den bösen Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über und er sagte: „So spricht Gott auch: ‚Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen."

Vielleicht gehört dieses ewige Spiel von gegenseitigem Suchen und Finden zur Beziehung zwischen Gott und uns Menschen, bis es irgendwann mündet in die Freude des Findens, die grenzenlos sein wird und nie wieder verloren geht.        
Mich erfüllt der Gedanke daran, dass Gott nicht nachlässt uns zu suchen, mit Zuversicht. So können wir uns letztlich doch eigentlich gar nicht verfehlen … 

Sr. Silvia-Johanna

 

Peace, Frieden, pace, paz

Vor einigen Wochen erregte in den Radionachrichten eine kurze Meldung zum Beginn der Kölner Möbelmesse meine Aufmerksamkeit. Es hieß, im diesjährigen Trend zu soften und warmen Farben und Materialien spiegele sich angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage die Sehnsucht, das eigene zu Hause zu einem sicheren, möglichst gemütlichen und kuscheligen Rückzugsort zu machen. Ganz ehrlich: Ich verstehe das Bedürfnis nach Frieden und Sicherheit! Weltweite Kriege, zunehmender Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hetze, rechter Populismus und Hatespeech, wachsende Unzufriedenheit im eigenen Land, … erfüllen mich mit Traurigkeit und Sorge. Die dauernden Diskussionen um Waffenlieferungen, die Aussicht auf einen unberechenbaren zukünftigen US-Präsidenten und die (leider) sicher erforderliche Forderung unseres Verteidigungsministers, unser Land müsse kriegstüchtig werden, machen auch mir Angst. Besonders schwer auszuhalten, finde ich das Gefühl, den Entwicklungen hilflos ausgeliefert zu sein und nichts tun zu können.
Was mir hilft ist, mich gut zu informieren, aber die Nachrichtenflut auch mal abzuschalten, um mich ganz bewusst etwas Schönem zuzuwenden, – und Psalm 34. Die Sätze in Vers 13 bis 15 ermuntern mich, nicht zu resignieren und stattdessen aktiv zu werden im eigenen Umfeld: Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht? Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse, und tu das Gute; suche Frieden, und jage ihm nach! Bereits der Hl. Benedikt wusste, dass es ohne Frieden kein gelingendes Zusammenleben geben kann, und hat diese Verse im Prolog seiner Ordensregel aufgenommen. Dem Frieden nachzujagen, klingt erst mal ungewohnt. Ich deute es so: Ich soll mich entschieden, leidenschaftlich, ausdauernd, eifrig und engagiert mit meinen Möglichkeiten um Frieden bemühen und dafür einsetzen. Statt in Ohnmacht zu erstarren, kann ich immer etwas für den Frieden tun: Ich kann mich aus seriösen Quellen informieren und meine Meinung den Stammtischparolen entgegensetzen. Ich muss bei Tratsch und Klatsch und ewiger Schwarzmalerei nicht mitmachen. Ich kann Leserbriefe schreiben, mich für benachteiligte Menschen einsetzen, mich an Online-Aktionen für Frieden und Gerechtigkeit oder friedlichen Demos beteiligen. Ich kann mich bewusst dafür entscheiden, mich in Vergebungsbereitschaft zu üben und auch schwierige Mitmenschen zu ertragen (siehe Kol 3,13-14). Außerdem kann und darf ich um den Frieden beten. Schon seit einiger Zeit glaube ich, dass eine Welt, die meint, ohne Gott auskommen zu können, Ihn noch nie so nötig hatte wie gerade jetzt. Einen Gott, der allen Menschen ein Leben in Fülle zugedacht hat: in Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit und Heil.   
Ohne Frieden gibt es kein Glück. Ohne Gott gibt es keinen Frieden.  

Sr. Silvia-Johanna

„Dann geh doch in die Wüste.“

„Dann geh doch in die Wüste.“
Wer diesen Ruf hört, wird nicht begeistert sein, denn meistens schickt man Menschen in die Wüste, die man aus welchen Gründen auch immer nicht mehr sehen möchte. In die Wüste mag wohl keiner geschickt werden und doch kann die Wüste für uns Menschen eine positive Bedeutung haben, wie uns das Markusevangelium zu Beginn der Fastenzeit zeigt. 

Der Evangelist schließt das Evangelium (Mk 1,12-15) direkt an die Erzählung von der Taufe Jesu an. Derselbe Geist Gottes, der in der Taufe Jesus offenbart, dass er der geliebte Sohn Gottes ist, führt ihn nun in die Wüste. Der Versuchung ausgesetzt und ihr widerstehend, bereitet Jesus sich auf sein erstes öffentliches Auftreten vor.

Was macht die Wüste so bedeutsam?

- Die Wüste ist ein Ort der Einsamkeit und der Leere. Die schlichte Landschaft hilft runterzukommen und loszulassen.
Dort gibt es keinen Applaus und keine Ablenkung. Der Mensch wird sich der inneren Leere bewusst, um sich neu zu orientieren und von Gott erfüllen zu lassen.

 

- Die Wüste ist ein Ort des Zu-sich-selbst-kommens. Der Mensch trifft auf seine ungelösten Probleme und Ängste, auf all das, was er am liebsten in der Hektik des Alltags vor sich selbst verbergen möchte. Die Wüste ist somit der Ort der Bewusstwerdung, der Auseinandersetzung und der Reifung.


- Die Wüste ist ein Ort der Gottesbegegnung. Wer sich der inneren Leere und Stille aussetzt und den Mut hat, bei sich selbst auf den Grund zu schauen, der findet die tragende Mitte wieder. Der darf erkennen, dass dort die Würde und Einmaligkeit liegt, dass Gott da ist und in ihm wohnt.
Ja, das Gute und Wunderbare ist schon in uns. Unsere Aufgabe ist es, diesen Schatz zu entdecken und freizulegen. Der Mystiker Meister Eckhart hat diesen Prozess einmal mit einem schönen Gleichnis beschrieben:
„Wenn ein Meister ein Bild macht aus Holz oder Stein, so trägt er das Bild nicht in das Holz hinein, sondern er schnitzt die Späne ab, die das Bild verborgen und verdeckt hatten; er gibt dem Holze nichts, sondern er nimmt und gräbt ihm die Decke ab und dann glänzt, was darunter verborgen lag. Etwas, was immer da war und da ist, kommt zum Vorschein.“

Lassen wir uns in der Fastenzeit von Jesus in die Wüste schicken. Wagen wir in der Stille und Zurückgezogenheit den Weg in die eigene Tiefe, um den Schatz in uns zu heben. Wenn wir uns so ehrlich anschauen, dann wird der Aufenthalt in der Wüste nicht nur zu einem Ort der Auseinandersetzung, sondern zu einem Ort der innigen Liebe Gottes, wo Gott um die Liebe des Menschen wirbt.

Eine gesegnete Fastenzeit

Sr. Imelda

 

                                                                           

 

... nicht nur sauber, sondern rein!

Bei einem meiner letzten Friseurbesuche nahm sich ein sehr netter junger Moslem meiner Frisur an. Aufgrund meines Outfits ordnete er mich sofort der Kirche zu. Während er mit dem Haarschnitt beschäftigt war, unterhielten wir uns. Plötzlich fragte er mich: „Wie oft waschen Sie sich?“ Ich war völlig irritiert und hatte schon Sorge um meinen körperlichen Wohlgeruch, sodass ich etwas entrüstet antwortete: „Mindestens so oft es nötig ist!“ An meiner Reaktion merkte der freundliche Mann wohl, dass ich seine Frage anders verstanden hatte als er sie gemeint hatte. Vor dem Hintergrund, dass Moslems sich vor dem Gebet Gesicht, Hände und Füße waschen oder, falls kein Wasser vorhanden ist, mit Sand reinigen, wollte er von mir wissen, wie oft wir rituelle Waschungen vornehmen. Erleichtert erklärte ich ihm dann, dass wir durch die Taufe grundsätzlich bereits rein seien und das Bekreuzigen mit Weihwasser uns daran erinnere, sodass es weitere Waschungen bei uns nicht gibt.
Vielleicht durch dieses Erlebnis ausgelöst, fiel mir in folgenden Tagen auf, wie häufig in der Bibel von Waschen und Reinheit die Rede ist. Da ist natürlich die Szene der Fußwaschung am Abend vor dem Kreuzestod Jesu. Oder in Psalm 51, den wir jeden Freitag in der Laudes beten: Wasch meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde (Vers 4). Weiter: Wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee (Vers 9). Und: Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist (Vers 12). Auch im Buch Ezechiel (36,25-26) begegnen wir dem Thema: Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von all euren Götzen.  
Etwas despektierlich musste ich an Clementine, die frühere Werbefigur eines bekannten Waschmittels, denken, die in den Werbespots immer behauptete: „… wäscht nicht nur sauber, sondern rein!“ Offenbar gibt es da einen Unterschied. Reinheit hat eine andere Qualität als Sauberkeit – auch in der Bibel.
In den Seligpreisungen der Bergpredigt (Mt 5,8) wird denen, die ein reines Herz haben, sogar verheißen, dass sie Gott schauen werden. Was könnte das sein – ein reines Herz? Mir fiel folgendes dazu ein: zu den eigenen Schwächen und Begrenztheiten stehen und sich damit annehmen; sich selbst, den Mitmenschen und Gott nichts vormachen wollen; echt, ehrlich, offen, frei von Egoismus und ohne Hintergedanken sein.
Trotz der grundsätzlichen Reinheit durch das Bad der Taufe kann ich Gott um ein reines Herz wohl immer wieder nur neu bitten. Mich begleitet diese Bitte seither bei jeder Dusche, dem Genuss eines Vollbads, beim Schwimmen und dem Sprung ins Tauchbecken nach dem Saunagang: Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz …

Sr. Silvia-Johanna  
        

 

Hören

Dienstags habe ich Orgeldienst. Aber nein: Orgel spielen kann ich leider nicht. Seit unserem Umzug in unser neues Haus haben wir in unserer Kapelle eine Orgel, die sowohl – Wunderwerk der Technik -  programmierbar ist und dann automatisch spielt, als auch von einem Organisten oder einer Organistin bespielt werden kann. Sonntags haben wir in der Regel einen Organisten, aber werktags programmiert eine Schwester die Orgel. Anders als ein Organist, der sich auf seine Gemeinde einstellen kann, ist das mit der Automatik natürlich nicht möglich. Die Orgel gibt das Tempo und den Rhythmus des Gesangs vor, und je nachdem, wer die programmierten Lieder vorher eingespielt hat, kann das schon mal ganz anders ausfallen, als wir Schwestern das jahrelang gewohnt sind. Gepaart mit dem nicht mehr ganz so guten Gehör der Sängerinnen ist das nicht immer vollendet harmonisch. Als bei einem Lied, das wir anders kennen, die meisten Schwestern und der Pfarrer mit lauter Stimme gegen die Orgel ansangen, erschien mir das wie ein Gleichnis dafür, wie wichtig das Hören ist.
Wie dem gemeinsamen Gesang tut es auch unserem Zusammenleben gut, aufeinander zu hören. Da geht es nicht darum, sich mit seiner Stimme oder seinen Argumenten durchzusetzen. Wenn ich nur versuche, durch Lautstärke die anderen zu übertönen, entsteht keine Harmonie. Nehme ich mich auch mal zurück, kann ich hören, wie die anderen singen bzw. was sie sagen, wie es ihnen geht, was ihnen wichtig ist … So fällt es mir leichter, mich auf sie einzustellen. Zusammen und jeder für sich auf die Orgel zu hören, ist genauso wichtig. Sie gibt Melodie und Takt vor. Sinnbildlich könnte sie für Gott stehen. Im persönlichen und gemeinsamen Hören auf ihn, ergibt sich die Melodie unseres Lebens. 
Beides gehört dazu: Auf die Mitsänger/innen hören und auf die Orgel, einander Gehör schenken und Gott. Dann klingen die Stimmen wirklich zusammen, dann erklingt eine „Symphonie“, griechisch wörtlich „Zusammenklang“. Der heilige Ignatius von Antiochien beschreibt es in Worten seiner Zeit so: „Nehmt Gottes Melodie in euch auf. So werdet ihr alle zusammen zu einem Chor, und in eurer Eintracht und zusammenklingender Liebe ertönt durch euch das Lied Jesu Christi. Das ist das Lied, das Gott, der Vater, hört – und so erkennt er euch als die, die zu Christus gehören.“

Sr. Silvia-Johanna               
 

 

Wer ohne Sünde ist ...

Als ich mit meinem evangelischen Vater vor einiger Zeit eine katholische Kirche besichtigte, meinte er beim Anblick der Beichtstühle: „Die brauchst Du ja nicht mehr. Du sündigst ja nicht.“ Wie bitte? Ich war zunächst sprachlos. Auf mein Nachfragen stellte sich heraus, dass mein Vater meinte, seitdem ich im Kloster sei, sei ich über jede Sünde erhaben. Er wollte dann tatsächlich wissen, wie und was ich denn noch sündigen könne. Offenbar verbanden mein Vater und ich unterschiedliche Vorstellungen mit dem Begriff Sünde. Ich konnte ihn dahingehend beruhigen, dass ich natürlich nicht stehle, keinen Ehebruch begehe und niemanden umbringe. Aber bin ich deswegen ein „Engel“ und praktisch „sündenfrei“? 
Ich kann mich dem anschließen, was Paulus in seinem Brief an die Römer (7,18-19) von sich bekennt: … das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. 
Trotz aller guter Vorsätze passiert es zum Beispiel, dass ich genervt reagiere, wenn das Telefon zum x-ten klingelt oder jemand etwas von mir will, ich aber gerade zu tun habe oder mal meine Ruhe haben will. Oder ich spüre, dass ich ungeduldig werde, wenn jemand nicht sofort versteht, was ich zu erklären versuche. Oder ich bin beim Beten gedanklich ganz woanders. Ein anderes Mal merke ich, dass ich jemanden beurteile, obwohl ich das gar nicht will. Die Liste ließe sich fortsetzen. Und vielleicht lässt sich darüber diskutieren, ob das nun bereits Sünde ist. Manchmal erscheint es mir so, als schwanke ich zwischen dem perfekten Glaubensanspruch und meinen eigenen Vorstellungen vom guten Leben. Letztlich ist für mich aber all das Sünde, was meine Beziehung zu Gott und den Menschen stört. Natürlich nicht mit voller Absicht, aber irgendwie passiert es immer wieder mal. Es scheint im Menschen zu liegen, dass er nicht immer nur gut sein kann – zumindest in mir. Vielleicht ist es das, was „Erbsünde“ genannt wird: Auf dieser Erde kommt man einfach nicht völlig raus aus der Nummer. 
Darum ist mir ein Zitat von Papst Franziskus so sympathisch: Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat. 
Unter diesem liebenden, verständnisvollen, bestimmt auch humorvollen Blick Gottes darf ich es wagen, nicht aufzugeben. Jeden Tag darf ich auf‘ s Neue zu beginnen und darauf vertrauen, dass Seine Geduld mit mir weit größer ist als meine eigene.


Sr. Silvia-Johanna
 

Klima wandeln

Es ist nicht zu übersehen: Unser Klima verändert sich. 
Auf meiner frühmorgendlichen Walkingstrecke um den Aasee konnte ich mal wieder feststellen, dass es manche Zeitgenossen mit dem Klima- und Umweltschutz immer noch nicht so genau nehmen. Auf einer Wiese fanden sich die achtlos weggeworfenen Hinterlassenschaften einer Party – leere Flaschen, Dosen, Verpackungen und Müll aller Art. Und die leere Mülltonne stand direkt daneben … Das war mal wieder ein Beispiel dafür, warum ich beim Thema Klimawandel längst nicht mehr allein an die Natur und Umwelt denke, an die dynamischen Prozesse der Erdatmosphäre, die sich in den Temperaturen, Niederschlagsmengen und Wettererscheinungen zeigen. 
Mir scheint, dass auch unser zwischenmenschliches Klima bedroht ist. Wenn ich die Nachrichten höre, habe ich den Eindruck, dass Egoismus, Aggressivität und Respektlosigkeit gegenüber dem Leben, der Gesundheit und dem Eigentum anderer immer mehr um sich greifen. Ich gebe zu: Das erschreckt mich total. In einem Radiobericht versuchte ein Soziologe diese „Hauptsache-ich-Mentalität“ mit den Einschränkungen der persönlichen Freiheit aus der Corona-Pandemie zu erklären, die verständlicherweise Ängste geschürt haben. Das habe bei manchen Menschen eine Art Nachholbedarf ausgelöst nach dem Motto: Das steht mir jetzt zu.
Ich finde: Es ist Zeit für einen zwischenmenschlichen „Klimawandel“. Dazu braucht es gar nicht viel – ein wenig Freundlichkeit, Höflichkeit, Wertschätzung und Aufmerksamkeit reichen bereits aus, um die Atmosphäre in meinem Umfeld zu verbessern, und kosten nichts. Jesus hat uns übrigens vorgelebt, wie das geht mit der Menschenfreundlichkeit. Und stellen Sie sich mal vor, das macht jeder! Da könnte man glatt eine Vorstellung davon bekommen, was Jesus mit dem Reich Gottes, das bereits auf Erden beginnt, gemeint haben könnte … 
Und das Beste: Ich brauche nicht erst zu warten, bis endlich irgendwelche entsprechenden Gesetze und Verordnungen erlassen sind, sondern kann jederzeit damit beginnen. Machen Sie mit?  

Sr. Silvia-Johanna         
 

 

erfrischend

In diesem Sommer prägte das Wasser meine Ferien – Wanderungen um viele stille Waldseen, Ausflüge an die Ostsee, ein Besuch bei einer Freundin, die an einem Fluss lebt.
An heißen Tagen hatten meine Freunde und ich manchmal das Gefühl, dass bereits das Plätschern eines Brunnens oder das Rauschen eines Baches bei einer Wanderung die Hitze etwas milderte.  
Wasser ist Leben. Das wissen wir nicht erst, seitdem unsere Sommer immer heißer und trockener werden. Unser Körper besteht bis zu 70 % aus Wasser. Wir kommen im Ernstfall ca. 60 Tage ohne Nahrung aus, können ohne Wasser jedoch allerhöchstens eine Woche überleben. Wasser verspricht zudem Erfrischung, Reinigung, Belebung. 
An meinem letzten - sehr warmen - Urlaubstag durften wir noch etwas ganz Besonders erleben, bei dem Wasser eine wichtige Rolle spielte: An einem See wurden 31 Menschen getauft – Babys, Kinder, Jugendliche und auch einige Erwachsene. Die größeren Kinder und Erwachsenen tauchten dabei ganz in die Fluten des Sees ein. Erfrischung an Leib und Seele! Das konnte ich mir gut vorstellen.
Besonders bewegt hat mich, dass sich die älteren Täuflinge bewusst selbst für diese Taufe, für ein Leben mit Gott, entschieden haben, während die Entscheidung bei den Kleinkindern ja von den Eltern getroffen wurde.  
Das Untertauchen im Wasser oder das Übergießen mit Wasser bei der Taufe ist ein Bild für Jesu Tod, das Auftauchen symbolisiert die Auferstehung und steht für den Neubeginn mit Gott.
Im Johannesevangelium (4,1-26 – unbedingt nachlesenswert!) verheißt Jesus der Frau am Jakobsbrunnen lebendiges Wasser: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“  
Jesus verspricht uns mehr als nur das Löschen unseres körperlichen Durstes, sondern nichts Geringeres, als unseren Lebensdurst zu stillen und uns eine Hoffnung über den Tod hinaus zu geben. Als Getaufte sind wir nicht gefeit vor den Wechselfällen des Lebens. Aber egal was passiert – für immer gilt: Wie Gott Jesus in dessen Taufe zugesprochen hat „Du bist mein geliebter Sohn“, so nimmt er auch uns in der Taufe an als seine geliebten Kinder. Er wendet sich uns zu und bleibt an unserer Seite.  
Es tut gut, sich ab und zu in stillen Momenten diese unwiderrufliche Zusage Gottes wieder neu bewusst zu machen.  

Sr. Silvia-Johanna

Darf ich bitten?

Vielleicht finden Sie das ja seltsam: Obwohl ich Meditation und Stille liebe und nicht ohne leben könnte, tanze ich total gerne. Damit meine ich jetzt aber nicht meditatives Tanzen, sondern ich liebe alles, was - wie es unser Bundeskanzler wohl ausdrücken würde - „Wumms“ hat. Standard, Discofox, Freestyle zu Rock, Pop, Schlager – ganz egal, solange es erkennbare Melodie und einen fetzigen Rhythmus hat. Da es im Ordensleben nicht wirklich viel Gelegenheit zum Tanzen gibt, „überkommt es“ mich manchmal: Dann muss beim Putzen der Wischmopp als Tanzpartner herhalten oder ich lege „meine“ Musik auf und tanze eine Viertelstunde mal so richtig ab. Gut, dass es keine versteckten Kameras gibt! Es tut mir gut, mich sozusagen mit Leib und Seele ganz auf den Rhythmus der Musik einzulassen und die Beweglichkeit meines Körpers zu spüren. 
Manchmal sprechen mich auch die Liedtexte zusätzlich besonders an. Häufig höre ich einen Refrain oder eine Stelle, die wirklich auf die Beziehung Gottes zu uns/mir und zu meinem aktuellen Gefühl passt.
Hören Sie diese Lied-Texte mal von Gott her an Sie!  Zum Beispiel „All of me“ von John Legend, das aus diesem Grund sogar bei der Konfirmation meiner Nichte gespielt wurde:

Cause all of me loves all of you.                                 
Love your curves and all your edges,
all your perfect imperfections. 
Give your all to me, I’ll give my all to you.    
You’re my end and my beginning.
Even when I lose, I’m winning.
Cause I give you all of me.
And you give me all of you

(Denn alles von mir liebt alles von dir.
Liebe deine Kurven und all deine Kanten,
deine ganze perfekte Unvollkommenheit.
Gib mir dein Alles und ich gebe dir mein Alles.
Du bist mein Ende und mein Anfang.
Selbst wenn ich verliere, gewinne ich,
denn ich gebe dir alles von mir.
Und du gibst mir alles von dir.)

Oder von Matthias Reim – passt wirklich in beide Richtungen:

Du bist mein Glück
groß wie ein Planet.
Du bist die Sonne, 
die niemals untergeht.
Du bist mein Mond,
der meine Nacht erhellt.
Du bist mein Stern, 
der nie vom Himmel fällt. 

„You raise me up“ von Westlife ist für mich Gebet pur:

You raise me up, so I can stand on mountains.
You raise me up, to walk on stormy seas.
I am strong, when I am on ‚your shoulders.
You raise me up to more than I can be.

(Mit deiner Kraft kann Berge ich bezwingen,
durch dich besieg ich selbst die rauste See.
Ich fühl mich stark mit dir als mein Begleiter,
wachs über mich hinaus durch deine Näh‘.)

In solchen Momenten kann Tanzen für mich genauso Gebet sein wie die Meditation, und ich fühle mich ein wenig wie in der Geschichte vom tanzenden Gaukler, der Mönch wird und für Gott tanzt, weil er Psalmen-Beten nie gelernt hat.
Wann tanzen Sie das nächste Mal?

Sr. Silvia-Johanna
   
 

 

Reiselust

Du musst nicht über die Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und nicht die Alpen überqueren. Der Weg, der Dir gezeigt wird, ist nicht weit. Du musst Deinem Gott nur bis zu Dir selbst entgegengehen. (Bernhard von Clairvaux)
Die Suche nach Gott steht für die meisten von uns wahrscheinlich nicht gerade im Vordergrund unserer Reiselust: endlich mal den Alltag hinter sich lassen, Ruhe, den eigenen Horizont erweitern und neue Kulturen, Länder und Menschen kennenlernen, sportliche Herausforderungen, Abenteuerlust, Natur genießen oder einfach nur mal entspannen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, …  
Die Urlaubsentscheidung ist – auch vor dem Hintergrund dramatisch gestiegener Preise - gar nicht so einfach: Berge, Meer oder Städtetrip? Hotel, Ferienwohnung oder Camping? Pauschal oder individuell? Bequem mit dem Auto oder lieber mit dem Zug? Flugreise oder doch die erträumte Kreuzfahrt? Ist das angesichts des Klimawandels überhaupt noch vertretbar? So viele Fragen! Und dennoch scheint unsere Reiselust ungebrochen zu sein.   

Ein Zitat von Kurt Tucholsky bringt aus meiner Sicht unser Fernweh gut auf den Punkt: Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.  
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und uns eine Ferienzeit, die uns wieder in Verbindung bringt mit unserer im Alltag so oft verschütteten tiefsten Sehnsucht. Und wer weiß? Vielleicht wird uns dann die Erfahrung geschenkt, dass Gott uns ganz nahe ist – in uns, in seiner Schöpfung, in wunderbaren Erlebnissen und Begegnungen.
Ob in der Nähe oder in der Ferne – schöne Ferien!

Sr. Silvia-Johanna

 

Mittendrin

Dienstags beten wir die Laudes bei jedem Wetter mit geschlossenen Kapellenfenstern, denn selbst wenn die Fenster zu sind, hört man deutlich, dass während unseres Morgengebetes in der Nachbarschaft die Müllabfuhr schon sehr aktiv ist. Auch wenn ich allein beten möchte, geht es mir häufig so: Kaum habe ich mich zur Meditation niedergelassen, setzt irgendwo im Haus jemand den Bohrer an oder schlägt einen Nagel in die Wand. Immer aber höre ich beim Beten den frühmorgendlichen oder abends den letzten Berufsverkehr.
Ich gebe zu, dass mich so eine Geräuschkulisse zu Beginn meines Ordenslebens manchmal genervt hat. Ich musste einsehen, dass die Welt natürlich nicht aufhört, sich weiter zu drehen, nur weil ich mir gerade Stille zum Beten wünsche. Zunehmend spürte ich allerdings Dankbarkeit dafür, dass es zu unserem Leben gehört, den Tag betend in (relativer) Stille beginnen zu dürfen, bevor wir uns den Anforderungen des neuen Tages stellen, und ihn am Abend ebenso mit Gott zu beenden. Das empfinde ich immer noch so. Ich stellte mir vor, wie der Tag der Menschen im Berufsverkehr wohl begonnen hat und welchem Beruf sie vielleicht nachgehen. Ich begann für sie zu beten. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass es weltweit Klöster gibt, in denen bedingt durch die unterschiedlichen Zeitzonen rund um die Uhr in den Anliegen der Menschen und stellvertretend für sie gebetet wird?
Die Müllabfuhr erinnert mich jeden Dienstag daran, wo Gott zu finden ist und wo der Glaube an ihn seinen Platz hat – in der Welt und mitten im Leben. Dort zeigt es sich, wie ernst es mir mit Gott ist: In der Art und Weise, wie ich den ganz normalen Alltag mit seinen Herausforderungen lebe, wie ich meinen Mitmenschen begegne und wie offen ich dafür bin, Gott in manchmal ganz kleinen Dingen zu begegnen. Ich glaube, dass solche ganz unspektakulären, persönlichen Glaubenszeugnisse in einer Zeit, in der die Kirche sich in einer schweren Krise befindet und Gott im Leben vieler Menschen kaum noch eine Rolle spielt, immer wichtiger werden.  
Vielleicht tun wir mitten in der Welt auf diese Weise genau das, was die 1964 verstorbene französische Sozialarbeiterin, Poetin und Mystikerin Madeleine Delbrêl so nennt: „Gott einen Ort sichern“ …
Den Mitarbeiter/innen der Müllabfuhr bin ich dankbar für ihren Dienst – sie haben jeden Dienstag einen festen Platz in meinem Gebet!   

Sr. Silvia-Johanna

Nachösterlich

Nach Ostern durfte ich acht Tage Exerzitien in unserem Haus Emmaus machen, zu dem ein schöner Garten gehört und das umgeben von Wald und Feldern liegt. Ich freute mich auf die Tage in Schweigen und Stille, auf mehr Zeit zu Gebet und Meditation. Mindestens genauso groß war allerdings auch meine Vorfreude auf viel Zeit mit Sport und Bewegung in der wunderschönen erwachenden Natur.  
Meine Exerzitien begannen mit einem nasskalten Tag mit strömendem Dauerregen – nicht unbedingt das, was ich erhofft hatte… Als ich am nächsten Morgen die Vorhänge öffnete, regnete es immer noch, und alles erschien mir grau in grau. Beim Hinausblicken in den tristen Morgen fiel mir auf, wie viele verschiedene Grüntöne ich dennoch in der Natur unterscheiden konnte. Die Farben waren also trotzdem da. Es war keineswegs nur grau. Durch das fehlende Sonnenlicht fehlte den Farben aber die Leuchtkraft.
Rückblickend wurde mir die Parallele zu meinem Leben neu deutlich: Christus hat mein Leben ebenfalls hell gemacht. Mit Ihm hat alles Schöne noch mehr Strahlkraft, und das Schwere (auch die aktuelle Coronazeit) wird mir erträglicher, weil ich daran glaube, dass Er an meiner Seite ist und es mit mir trägt.
Die Bibel spricht immer wieder von Jesus als Licht der Welt. Im Johannesprolog heißt es zum Beispiel: Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. (Joh 1, 9). Viele Kirchenlieder und Hymnen besingen Christus als den, der unser Leben hell macht, z. B. „Morgenstern der finstern Nacht“ (GL 372), „Christus, du bist der helle Tag“ (GL 90) und viele mehr.
Haben wir nicht genau das vor wenigen Wochen zu Ostern gefeiert? Christus hat sich auf unsere tiefste menschliche Dunkelheit eingelassen und hat in seiner Auferstehung den Tod besiegt. Damit hat Er unserem Leben eine dauerhafte Strahlkraft geschenkt!
Das wurde mir an diesem regnerischen Morgen am Fenster ganz bewusst. Meine weiteren Exerzitientage waren dann übrigens begleitet von einem schönen, regenfreien Sonne-Wolken-Mix, aber die Erfahrung der Regentage möchte ich nicht missen.

Sr. Silvia-Johanna

 

Zeitlos wertvoll

In der Fernsehwerbung sah ich zufällig, dass eine Kosmetikfirma jedes der Haarpflegeprodukte einer neuen Serie als „wahren Schatz“ anpreist. Ob sich diese Aussage nun auf die besonders wertvollen Ingredienzien oder auf den glänzenden Zustand der Haarpracht nach der Anwendung bezieht, weiß ich allerdings nicht.
Mich erinnerte dieser Werbespot sofort an eine Stelle aus dem Matthäusevangelium (6, 19-21): Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
Woran hängt mein Herz? Was (oder wer) nimmt einen großen Raum in meinen Gedanken ein? Was ist mir so wichtig, dass ich dafür anderes aufgeben würde? Wofür bin ich bereit, Mühe, Kraft und Zeit einzusetzen oder auch Geld zu investieren? Partnerschaft und Familie? Ein durchtrainierter Body? Gesundheit? Der Glaube? Freunde? Beruflicher Erfolg und Wohlstand? Modisches Styling? Erinnerungen? Unterwegs sein in angesagten Locations? Gott? Soziales Engagement?  Das Durchsetzen meiner Vorstellungen und Ideen? Ein Hobby? Mein persönliches Wellness-Feeling? Ansehen und Anerkennung? …?
Mir sind solche Fragen ab und zu eine Hilfe, zu erkennen, ob Prioritäten in meinem Leben sich verschoben haben, und sie wieder neu zu ordnen.
Wie würden Sie antworten?

Sr. Silvia-Johanna  

Nichts kann wichtiger sein,
als Gott zu begegnen, das heißt,
sich in ihn endgültig und vollkommen zu verlieben.
Dasjenige, in das du dich verliebst, fesselt deine Vorstellungskraft und hinterlässt schließlich überall seine Spuren.
Daran wird sich entscheiden, was dich morgens aus dem Bett holt, was du bei Sonnenuntergang tust,
was du an deinen Wochenenden machst, was du liest, was du weißt, was dein Herz bricht und was dich mit Freude und Dankbarkeit überwältigt...
Verliebe dich!
Bleibe in der Liebe!
Und alles wird anders sein.

Pedro Arrupe