Impuls zur Fastenzeit

Dann geh doch in die Wüste.“

Wer diesen Ruf hört, wird nicht begeistert sein, denn meistens schickt man Menschen in die Wüste, die man aus welchen Gründen auch immer nicht mehr sehen möchte. In die Wüste mag wohl keiner geschickt werden und doch kann die Wüste für uns Menschen eine positive Bedeutung haben, wie uns das Markusevangelium zu Beginn der Fastenzeit zeigt.

Der Evangelist schließt das Evangelium (Mk 1,12-15) direkt an die Erzählung von der Taufe Jesu an. Derselbe Geist Gottes, der in der Taufe Jesus offenbart, dass er der geliebte Sohn Gottes ist, führt ihn nun in die Wüste. Der Versuchung ausgesetzt und ihr widerstehend, bereitet Jesus sich auf sein erstes öffentliches Auftreten vor.

Was macht die Wüste so bedeutsam?

- Die Wüste ist ein Ort der Einsamkeit und der Leere. Die schlichte Landschaft hilft runterzukommen und loszulassen. Dort gibt es keinen Applaus und keine Ablenkung. Der Mensch wird sich der inneren Leere bewusst, um sich neu zu orientieren und von Gott erfüllen zu lassen.

- Die Wüste ist ein Ort des Zu-sich-selbst-kommens. Der Mensch trifft auf seine ungelösten Probleme und Ängste, auf all das, was er am liebsten in der Hektik des Alltags vor sich selbst verbergen möchte. Die Wüste ist somit der Ort der Bewusstwerdung, der Auseinandersetzung und der Reifung.

- Die Wüste ist ein Ort der Gottesbegegnung. Wer sich der inneren Leere und Stille aussetzt und den Mut hat, bei sich selbst auf den Grund zu schauen, der findet die tragende Mitte wieder. Der darf erkennen, dass dort die Würde und Einmaligkeit liegt, dass Gott da ist und in ihm wohnt.
Ja, das Gute und Wunderbare ist schon in uns. Unsere Aufgabe ist es, diesen Schatz zu entdecken und freizulegen. Der Mystiker Meister Eckhart hat diesen Prozess einmal mit einem schönen Gleichnis beschrieben:
„Wenn ein Meister ein Bild macht aus Holz oder Stein, so trägt er das Bild nicht in das Holz hinein, sondern er schnitzt die Späne ab, die das Bild verborgen und verdeckt hatten; er gibt dem Holze nichts, sondern er nimmt und gräbt ihm die Decke ab und dann glänzt, was darunter verborgen lag. Etwas, was immer da war und da ist, kommt zum Vorschein.“

Lassen wir uns in der Fastenzeit von Jesus in die Wüste schicken. Wagen wir in der Stille und Zurückgezogenheit den Weg in die eigene Tiefe, um den Schatz in uns zu heben. Wenn wir uns so ehrlich anschauen, dann wird der Aufenthalt in der Wüste nicht nur zu einem Ort der Auseinandersetzung, sondern zu einem Ort der innigen Liebe Gottes, wo Gott um die Liebe des Menschen wirbt.

                         Eine gesegnete Fastenzeit

                                                                    Sr. Imelda