Darf es ein Bisschen mehr sein?

Foto: Sr. Silvia-Johanna

Wie – „mehr“? Dies soll doch ein Text zur Fastenzeit sein! Nein, Sie haben sich nicht verlesen!  
Schon länger tue ich mich schwer damit, dass beim Thema Fastenzeit das Augenmerk fast immer nur auf dem Verzicht liegt. Als wäre das Leben nicht schon Herausforderung genug und in der Fastenzeit müsse man noch etwas Beschwernis obendrauf packen… Das kommt für mich schon zum Ausdruck in der Frage: Und was fastest Du dieses Jahr – worauf verzichtest Du? In meinen Augen ist das Fasten um des Fastens willen oder, weil man es eben vor Ostern so macht, ziemlich sinnfrei. Ich finde Verzicht und Fasten ist nur im Hinblick auf ein größeres Ziel sinnvoll, wenn es mich zu einem „Mehr“ führt. Faste ich zum Beispiel Süßigkeiten oder mein Glas Wein am Wochenende, werde ich es nach der Fastenzeit umso mehr genießen. Verzichtete ich auf Fernsehen, Smartphone oder Computerspiele, habe ich dadurch mehr Zeit für Gespräche und Treffen mit anderen Menschen oder auch für die Beziehung zu Gott im Gebet. Spende ich etwas, kommt das „Mehr“ einem anderen Menschen zugute und wird so auch für mich ein „Mehr“ an Freude. Konsum- und Klimafasten bringt ein „Mehr“ für den Umweltschutz. Vielleicht versuche ich ja auch, auf schlechte Angewohnheiten zu verzichten: mich nicht in Tratsch über andere verwickeln zu lassen; besser zuzuhören; ein wenig früher aufzustehen, um den Tag mit mehr Ruhe beginnen zu können; nicht vorschnell über andere zu urteilen; … Was bringt mich mehr in Beziehung zu meinen Mitmenschen, zu Gott, zur Schöpfung und zu mir selbst? Wenn ich meinen Fastenvorsatz an dieser Frage orientiere, wird das Fasten nicht nur für mich zu einem „Mehr“ an Freiheit, Zeit, Gemeinschaft, Achtsamkeit, Lebensfreude, …
Also – wofür fasten Sie in diesem Jahr?

Sr. Silvia-Johanna