31.05.2017
"... und nicht nur ein bisschen"

In wenigen Wochen ist es endlich soweit: Nach fast neun Jahren als „Ordens-Azubi“ werde ich in unserer Ordensgemeinschaft die Ewige Profess ablegen. Das heißt, ich werde Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam für die Dauer meines Lebens geloben und mich für immer an Gott und die Gemeinschaft binden. Diesem wichtigen Tag in meinem Leben wird eine vierwöchige Vorbereitungszeit vorausgehen, in der mir nochmal die Möglichkeit geschenkt wird, mir ohne die Anforderungen meines üblichen Berufslebens eine intensive Zeit mit Gott zu gönnen, die auch Raum gibt für die Beschäftigung mit geistlichen Themen, die mich derzeit besonders interessieren, und die Möglichkeit, darüber ins Gespräch zu kommen, sowie – direkt vor der Profess – für eine Woche Exerzitien.
So mancher mag sich fragen, warum ich in der heutigen Zeit einen solchen Weg gehe. Die Reaktion, ich sei doch sonst ganz normal und lebenslustig, habe ich schon häufig gehört und freue mich darüber.
Es gibt heute so viele Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten. Selbstverwirklichung und persönliche Freiheit haben einen hohen Stellenwert. Die vielen Wahlmöglichkeiten machen Entscheidungen nicht leichter. Eine Freundin sagte mir mal, sie könne sich nicht mal entscheiden, ob sie das grüne oder das rote Kleid kaufen solle, geschweige denn eine Wahl wie ich treffen. Sich dauerhaft festzulegen, wird deshalb zunehmend schwerer. Kürzlich las ich, dass sogar das Vereinsleben in Deutschland immer mehr zurückgeht. Bindung und damit einhergehende Verpflichtung liegen anscheinend nicht so wirklich im Trend. Warum dann gerade dieser Weg als Ordensschwester, den viele Menschen irrtümlich nur mit Verzicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens in Verbindung bringen?
Ausgerechnet der Refrain eines alten Feten-Hits von Wolfgang Petry, den ich neulich plötzlich im Ohr hatte, könnte es deutlicher machen: Ganz oder gar nicht, gehn oder bleiben? Ganz oder gar nicht, du musst dich entscheiden. Denn weil ich dich liebe, will ich` s auch wissen - ganz oder gar nicht und nicht nur ein bisschen.
Vor meinem Ordenseintritt hatte ich mir mein Leben so richtig gut eingerichtet. Ich war gerade in eine tolle neue Wohnung gezogen, hatte sie schick möbliert. Ich hatte einen Beruf, der mir viel Spaß machte. Es gab (und gibt!) eine gute Familie und einen prima Freundeskreis. Von meinem Verdienst konnte ich mir Reisen und so manche Annehmlichkeit leisten. Aber es füllte mich nicht aus. Trotzdem hätte ich nicht sagen können, was noch fehlt. Das änderte sich, als Gott nach vielen Jahren der Gottes – und Kirchenferne wieder in mein Leben trat. Mein Leben änderte sich. Mir wurde bewusst, dass Gott auf allen Lebens – (Um)wegen bei mir gewesen ist und niemals aufgehört hat, mich zu lieben.
Ich spürte, dass Gott für mein Leben wichtig ist, dass Er etwas von mir will. Ich merkte, dass ich mit
Ihm leben möchte, nicht nur ab und zu oder wenn es mir gerade mal in den Kram passt, sondern ganz und immer. Weil ich auf Gottes Liebe zu mir antworten wollte, musste ich mich entscheiden. Da ich mein Leben ja mochte, fiel mir das nicht so leicht. Aber irgendwie konnte ich gar nicht anders. Ganz oder gar nicht! So führte Gott mich hierher.
Im Versuch, in der Gemeinschaft meiner Mitschwestern wirklich mit Gott zu leben, erfahre ich jetzt, dass ich immer mehr so sein kann, ja sogar immer mehr so werde, wie ich wirklich bin. Na wenn das keine Selbstverwirklichung ist! Die Gewissheit, dass Gott mich hält, immer an meiner Seite ist, dass ich nicht alles allein schaffen und tun muss, entlastet mich, befreit mich von überflüssigen Sorgen und Ängsten und schenkt mir innere Freiheit. Das erfüllt mich zunehmend mit Freude.
Ich möchte weiter mit Gott leben, nicht nur ein bisschen, sondern ganz und konsequent. Gott soll in meinem Leben nicht einen wichtigen Platz haben, sondern den ersten. Das werde ich Gott in wenigen Wochen vor vielen Menschen geloben – laut, deutlich und mit freudigem Herzen!
Sr. Silvia-Johanna