24.11.2022
Richtet euch auf! - Advent 2022

Ich gebe es zu: Angesichts der aktuellen Krisen verlässt auch mich manchmal etwas der Mut. So empfand ich im vergangenen Jahr die Weltuntergangsszenarien der Lesungen in den Gottesdiensten zum Ende des Kirchenjahrs nicht gerade aufbauend. Das Evangelium für den 1. Adventssonntag schien mir dann auf den ersten Blick auch wie deren düstere Fortsetzung:
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt. (Lk 21, 25-28.34-36)
„Och nee, jetzt geht das gleich so weiter – wo soll denn da die frohe Botschaft sein?“ So dachte ich zuerst. Aber ganz plötzlich wurden mir diese Worte, die ich viele Jahre immer nur als Mahnung aufgefasst hatte, zum Zuspruch, nicht nur in den Krisen kleben zu bleiben, sondern auf den zu blicken, Christus, der uns entgegenkommt. Richtet euch auf und erhebt eure Häupter…
Jesus ermuntert mich in diesen Worten, mein Herz nicht beschweren zu lassen, sondern realistisch und mit nüchternem Blick auf das zu schauen, was gerade ist, und dabei zu entdecken, dass es alles Gute, Schöne und Wahre immer noch gibt. Indem ich meinen Blick hebe und gezielt auch darauf lenke, lasse ich mich von allem, was mich niederdrücken will, nicht runterziehen, sondern erhalte die Kraft und auch die Lust, mich einzusetzen und die Welt in Jesu Sinn zu gestalten. Er will, dass wir alle aufrecht leben können. Indem er selbst ganz Mensch wurde, kam er uns entgegen, um unser Leben zu teilen. Aus Liebe ist Christus in die Welt gekommen, um an unserer Seite zu sein und uns aufzurichten.
Auch die adventlichen Texte in diesem Jahr rufen wieder zu Wachsamkeit und Umkehr auf. Ich will sie als Einladung hören, Jesus meinerseits entgegenzugehen und mich wieder neu auf Ihn auszurichten. Vielleicht kann Wachsamkeit auch bedeuten, das Gute bewusst wahrzunehmen. Und Umkehr, mich diesem Guten immer wieder neu ganz entschieden zuzuwenden, mir darin von Gott Zuversicht und Vertrauen stärken zu lassen, um hoffnungsvoll und mit Verantwortung das Leben zu gestalten. Mich neu darauf einzulassen – dazu möchte ich diese geschenkte Zeit nutzen.
Sr. Silvia-Johanna