01.03.2022
Man müsste ... Fastenzeit 2022

Kennen Sie das auch? Sie hören, lesen oder erleben etwas, das Sie anspricht oder beeindruckt, und schon ist das Gefühl da: Man müsste … sich mal wieder treffen; abnehmen; sich mehr Zeit nehmen für Dinge, die mir wirklich wichtig sind; dankbarer, froher, gelassener, nachhaltiger, einfacher, kurz gesagt – irgendwie anders leben. Und ganz schnell ist der inspirierende Gedanke auch schon wieder aus dem Kopf. Noch gar nicht konkreter geworden, ist er untergegangen in den Anforderungen und Ablenkungen des Alltags – bis er sich bei nächster Gelegenheit wieder meldet: Man müsste …
Was hindert mich, wirklich etwas in meinem Leben zu ändern? Bei mir scheitert es oft daran, dass ich mir zu hohe Ziele setze, deren Erreichbarkeit in weiter Ferne liegt. Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich.
Mir hilft die Formulierung der Lebensregeln von Papst Johannes XXIII, die als die „Zehn Gebote der Gelassenheit“ bekannt sind. Jeder seiner Vorsätze beginnt mit den Worten „Nur für heute …“ Lesen Sie selbst:
1. Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
2. Nur für heute werde ich große Sorgfalt in mein Auftreten legen: vornehm in meinem Verhalten; ich werde niemand kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern - nur mich selbst.
3. Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin - nicht für die andere, sondern auch für diese Welt.
4. Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
5. Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist eine gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
6. Nur für heute werde ich eine gute Tat verbringen, und ich werde es niemandem erzählen.
7. Nur für heute werde ich etwas tun, für das ich keine Lust habe es zu tun: Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass es niemand merkt.
8. Nur für heute werde ich fest glauben - selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten -, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
9. Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist - und ich werde an die Güte glauben.
10. Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen - und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: der Hetze und der Unentschlossenheit.
Ganz egal, ob mein Vorsatz wie bei Johannes XXIII nun die Einübung in mehr Gelassenheit ist oder ob ich mir etwas ganz anderes vornehmen möchte. Nur für heute – das ist realistisch und machbar. Es überfordert nicht, sondern ermutigt zu kleinen Schritten. Aber mit vielen kleinen Schritten kommt man ganz schön weit …
Vielleicht könnte genau das ein Vorsatz für die heute beginnende Fastenzeit sein?
Sr. Silvia-Johanna