In einem Zeitungsartikel las ich, dass unter anderem die „zunehmende Individualisierung“ ein Grund für leer bleibende Kirchenbänke sei.
Spontan dachte ich, dass ich selbst nicht so gern „Individuum“ genannt werden möchte – bedeutet es auf Latein doch „Unteilbares“ oder „Einzelding“. Mir ist das Wort „unverwechselbar“ näher, und das möchte ich gern sein – gar nicht dadurch, dass ich etwas Besonderes tue oder leiste, sondern einfach, weil ich ganz alltägliche Dinge auf meine ureigene Art und Weise tue.
In diesem Sinne wünsche ich mir auch eine Kirche, in der nicht „Individuen“ krampfhaft nach Selbstverwirklichung und Ausschöpfung all ihrer Möglichkeiten trachten, sondern in der Menschen sich mit ihren Talenten, Gaben und all dem, was sie so unnachahmlich ausmacht, einsetzen für Gottes Reich und gerade darin ihre Selbstverwirklichung und echte Erfüllung finden.
Ich hoffe auf eine Kirche als eine Gemeinschaft von Glaubenden, die auf den Klang von Gottes Stimme in ihrem Innern hört und vertraut, die in jedem Herzen spricht: „Du bist einzigartig und unverwechselbar – Du bist mein geliebtes Kind!“
Ich glaube an eine Kirche, in der die Menschen wegen dieser Zusage Gottes immer mehr darauf verzichten können, auf Biegen und Brechen ihre eigenen Interessen und Ansichten durchzusetzen oder zu erreichen, worauf sie meinen, einen Anspruch zu haben.
Ich habe die Hoffnung auf eine Kirche, in der Menschen gemeinsam versuchen, als Einzelne und als Gemeinschaft dem Bild immer ähnlicher zu werden, das Gott von ihnen hat, und so miteinander und aneinander zu wachsen und zu reifen.
Ich habe den Traum von einer Kirche der Zukunft wie ein wunderbares Orchester, in dem erst und nur im Zusammenspiel vieler verschiedener Instrumente mit je unverwechselbaren, einmaligen Klängen jener volle Ton möglich wird, der Melodien von unfassbarer Schönheit und Kraft hervorbringt – wenn bei den Proben zuvor auch mal Missklänge und Disharmonien zu hören waren.
Ich habe einen Traum von Kirche, für die ich mich einsetzen möchte … Und ich gebe die Hoffnung nicht auf!
Sr. Silvia-Johanna