In einem Zeitungsartikel fiel mir kürzlich die Wortschöpfung „Zuvielisation“ auf, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Der Wunsch nach „mehr“ scheint im Menschen angelegt zu sein.
Aber wann ist etwas zu viel? Beim Essen oder beim Genuss von Alkohol ist das einfach: Wenn man über die Stränge geschlagen hat, folgt ein unangenehmes Völlegefühl oder der Kater. Auch eine ausgiebige Shoppingtour lässt manchmal nur ein schales Gefühl zurück …
Und wann ist es genug? Diese Frage stelle ich mir regelmäßig, wenn ich die Prognosen für das Wirtschaftswachstum für das folgende Jahr höre. Wie lange kann die Wirtschaft noch wachsen?
Wohin soll ein immer Höher, Besser, Schneller, Weiter in fast allen Bereichen führen? Nicht immer ist auch ein „Besser“ damit verbunden, wenn ich zum Beispiel an die Folgen des Klimawandels oder zunehmende Einsamkeit in unserer Gesellschaft denke.
In unserem Ordensleben sehe ich einen Gegenpol zum allgemeinen Trend. Mit unserem Gelübde der Armut entscheiden wir uns bewusst für ein einfaches Leben. Wir haben, was wir zum Leben und Arbeiten brauchen, wollen aber Überfluss vermeiden. Als Gemeinschaft haben wir uns entschieden, eine „Ethik des Genug“ zu leben. Dazu gehört neben der Sorge um das eigene Brot eben auch, dass ich versuche, über den eigenen Tellerrand zu schauen und das Wohl der Mitmenschen in den Blick zu nehmen, also so zu leben, dass auch diese leben können, und mich auf meine Weise aktiv dafür einzusetzen.
Aber was ist dieses „mehr“, nach dem ich mich wie wohl die meisten Menschen sehne? Ich glaube, es hat mit dem Wunsch nach Liebe und Leben zu tun. Darum versuche ich zu erkennen, was mir wirklich echte Bedürfnisse sind. Was brauche ich tatsächlich zum Leben? Was macht mich glücklich? Ich finde das nebenbei auch spannend, weil ich mich so immer besser kennenlerne. Ich komme mir dabei oft auf die Schliche und Gott immer mehr auf die Spur, denn Freundschaft, Geborgenheit, Achtung, Anerkennung, ein tolles Gespräch, ein beweglicher Körper, die Schönheit der Schöpfung, gemeinsames Lachen, Gesundheit … - all dieses ist unbezahlbar, von mir nicht machbar und letztlich Gottes Geschenk!
Bevor Sie jetzt „zu viel kriegen“ und von meinen Gedanken „genug haben“, wünsche ich Ihnen und uns immer häufiger die Erfahrung, dass weniger auch mehr sein kann …
Sr. Silvia-Johanna