„Autobahn X zwischen Y und Z Stau/zähfließender Verkehr auf einer Länge von 5 Kilometern – Zeitverlust etwa 15 Minuten.“ So oder ähnlich höre ich es, nachdem der Verkehr nach der Lockerung des Corona-Lockdowns wieder Fahrt aufgenommen hat, täglich in den Verkehrsnachrichten.
Moment mal – was ist das denn: Zeitverlust etwa 15 Minuten? Kann ich Zeit verlieren? Etwa im Stau? Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass ich Zeit gewinnen und dazubekommen würde, wenn der Verkehr reibungslos fließen würde. Wenn man diesen Gedanken folgt, könnte man ganz schnell in Richtung Physik oder Philosophie abdriften …
Das Zeitempfinden ist wohl sehr individuell. Warte ich zum Beispiel voll Vorfreude auf ein schönes Ereignis oder den Besuch eines lieben Menschen oder liege ich nachts schlaflos wach, vergeht die Zeit quälend langsam. Im Zusammensein mit dem lange erwarteten Besuch vergeht die Zeit gefühlt wie im Flug. Im normalen Arbeitsalltag wundere ich mich oft, dass so schnell wieder Abend ist, mache ich aber etwas ganz anderes als gewohnt – mit anderen Menschen, an einem anderen Ort -, erscheint mir der Tag im positiven Sinn viel länger. Offenbar hängt das Erfahren der Zeit damit zusammen, was und vor allem wie ich es erlebe.
Ich glaube, dass meine Lebenszeit mir von Gott geschenkt und daher kostbar ist. Ich kann sie nicht verlängern, wie es schon im Matthäusevangelium (6, 27)heißt: Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern? Daran versuche ich mich zu erinnern, wenn ich mal wieder spüre, wie der Ärger in mir hochkocht. Natürlich werde ich auch hin und wieder ungeduldig, wenn ich irgendwo warten muss und möglichst noch einen Termin im Nacken habe. Ärger und Frust bringen mich im wahrsten Sinne des Wortes jedoch keinen Zentimeter weiter. Sollte ich darum meine geschenkte und einmalige Zeit damit verschwenden? In Situationen, die ich nun mal nicht ändern kann, versuche ich, mir in Erinnerung zu rufen, dass die Entscheidung, ob ich mich ärgere oder versuche, das Beste aus der Situation zu machen, bei mir liegt. Auf den Stau oder auch auf die derzeitige Corona-Krise habe ich keinen Einfluss, auf meine Weise, damit umzugehen, allerdings schon. Vor einigen Jahren bekam ich mal eine Karte, auf der ein kleiner Junge in einem Sandkasten umgeben von Sandspielzeug im strömenden Regen unter einem Schirm hockt. Darüber steht: „Man kann sich ärgern, aber man ist nicht dazu verpflichtet.“ Ich habe die Wahl!
Sr. Silvia-Johanna