Wenn ich am Aasee oder auf Münsters Promenade unterwegs bin, erinnern mich die vielen Jogger immer daran, wie ich einige Jahre vor meinem Ordenseintritt vom bekennenden Sportmuffel ganz allmählich zur begeisterten Läuferin wurde. Auslöser dafür war ein Artikel über Neujahrsvorsätze in einer Frauenzeitschrift. Diesmal wollte ich einen Vorsatz fassen, den ich auch durchhielt. Und so schnürte ich bereits am nächsten Feierabend meine uralten Sportschuhe und lief los. Natürlich war ich völlig untrainiert, sodass ich nur ganz kurze Laufphasen durchhielt und viel, viel längere Zeit einfach nur gehen musste, weil ich das Gefühl hatte, sonst einen verfrühten Herztod zu sterben. Über einen langen Zeitraum trainierte ich so dreimal pro Woche. Fast unmerklich wurden die Laufphasen länger und die Gehpausen kürzer. Und wie stolz war ich, als ich nach einigen Wochen eine Strecke von fünf Kilometern komplett durchlaufen konnte! Auch meine alten Sportschuhe hatte ich durch gute Laufschuhe ersetzt. Irgendwann bin ich dreimal wöchentlich 12 Kilometer durch Wald und Felder gelaufen. Immer wieder waren andere Jogger auch schneller als ich, aber ich lief mit Genuss und mein eigenes Tempo. Ganz nebenbei wurde mir die Bewegung so richtig zum Bedürfnis, sodass sie mir sehr fehlte, wenn ich es mal nicht einrichten konnte.Mangels Gelegenheit für regelmäßiges Training laufe ich heute keine 12 Kilometer mehr, aber das Bedürfnis nach Bewegung ist geblieben, sodass ich noch immer eine ausdauernde Walkerin und Schwimmerin bin. Sogar in der Bibel kommt das Laufen vor. In 1. Kor.9, 24 heißt es: „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt.“
Ich denke nicht, dass mich Paulus damit zu Konkurrenzkampf, Wettbewerb und geistlichem Kräftemessen auffordern will. Vielmehr sehe ich in diesem Schriftwort eine Ermutigung, in Bewegung zu bleiben und nicht aufzugeben. Dabei kommt es nicht auf das Tempo an oder darauf, die Mitlaufenden zu überholen, sondern darauf - wie es mir beim Joggen ging -, mein eigenes Tempo zu finden und die Ausdauer zu trainieren, die mir hilft, auf dem Weg zu bleiben und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren – das Leben mit Gott, wie Er es uns verheißen hat, heute und für einmal für immer.
Ich durfte die Erfahrung machen, dass die Übung (oder das Training?) im Beten, Lesen der Heiligen Schrift, Verweilen in der Stille, … (kurz: im Kontakthalten mit Gott) in mir ein ähnliches Bedürfnis danach weckte wie seinerzeit das Lauftraining das Bedürfnis nach Bewegung.
Und das Tolle ist: Gott lässt jeden Menschen sein eigenes Tempo laufen. Dabei gibt es keine Konkurrenz, denn jeder kommt ans Ziel!
Sr. Silvia-Johanna