Dienstags beten wir die Laudes bei jedem Wetter mit geschlossenen Kapellenfenstern, denn selbst wenn die Fenster zu sind, hört man deutlich, dass während unseres Morgengebetes in der Nachbarschaft die Müllabfuhr schon sehr aktiv ist. Auch wenn ich allein beten möchte, geht es mir häufig so: Kaum habe ich mich zur Meditation niedergelassen, setzt irgendwo im Haus jemand den Bohrer an oder schlägt einen Nagel in die Wand. Immer aber höre ich beim Beten den frühmorgendlichen oder abends den letzten Berufsverkehr.
Ich gebe zu, dass mich so eine Geräuschkulisse zu Beginn meines Ordenslebens manchmal genervt hat. Ich musste einsehen, dass die Welt natürlich nicht aufhört, sich weiter zu drehen, nur weil ich mir gerade Stille zum Beten wünsche. Zunehmend spürte ich allerdings Dankbarkeit dafür, dass es zu unserem Leben gehört, den Tag betend in (relativer) Stille beginnen zu dürfen, bevor wir uns den Anforderungen des neuen Tages stellen, und ihn am Abend ebenso mit Gott zu beenden. Das empfinde ich immer noch so. Ich stellte mir vor, wie der Tag der Menschen im Berufsverkehr wohl begonnen hat und welchem Beruf sie vielleicht nachgehen. Ich begann für sie zu beten. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass es weltweit Klöster gibt, in denen bedingt durch die unterschiedlichen Zeitzonen rund um die Uhr in den Anliegen der Menschen und stellvertretend für sie gebetet wird?
Die Müllabfuhr erinnert mich jeden Dienstag daran, wo Gott zu finden ist und wo der Glaube an ihn seinen Platz hat – in der Welt und mitten im Leben. Dort zeigt es sich, wie ernst es mir mit Gott ist: In der Art und Weise, wie ich den ganz normalen Alltag mit seinen Herausforderungen lebe, wie ich meinen Mitmenschen begegne und wie offen ich dafür bin, Gott in manchmal ganz kleinen Dingen zu begegnen. Ich glaube, dass solche ganz unspektakulären, persönlichen Glaubenszeugnisse in einer Zeit, in der die Kirche sich in einer schweren Krise befindet und Gott im Leben vieler Menschen kaum noch eine Rolle spielt, immer wichtiger werden.
Vielleicht tun wir mitten in der Welt auf diese Weise genau das, was die 1964 verstorbene französische Sozialarbeiterin, Poetin und Mystikerin Madeleine Delbrêl so nennt: „Gott einen Ort sichern“ …
Den Mitarbeiter/innen der Müllabfuhr bin ich dankbar für ihren Dienst – sie haben jeden Dienstag einen festen Platz in meinem Gebet!
Sr. Silvia-Johanna