In den abendlichen Nachrichten sah ich vor einiger Zeit einen Bericht über ein Gerichtsurteil, in dem es darum ging, ob und wie lange Musizieren in den eigenen vier Wänden zulässig und den Nachbarn zumutbar ist. Ein Satz in dem Bericht machte mich nachdenklich: Es gibt kein Recht auf Stille.
Haben Sie auch schon erlebt, wie gut es tut, wenn man einen lauten Raum voller Stimmengewirr und Musik verlässt und es auf dem Flur dann plötzlich still ist? Oder welche Wohltat es sein kann, bei einer Shoppingtour Lärm und Getümmel der Stadt hinter sich zu lassen, um kurz in einer leeren Kirche zu verweilen? Mit dem Schließen der Tür umfängt mich Stille.
Vollkommene Stille gibt es wohl nicht, aber Geräusche wie das Summen von Insekten, das Rauschen des Windes, Vogelzwitschern oder das Motorengeräusch eines fernen Flugzeugs lassen mich die Stille noch tiefer erfahren. Die Stille schärft meine Wahrnehmung. In der Stille können meine Gedanken und Gefühle zu Ruhe kommen und sich klären. Häufig stellen sich Ideen und Problemlösungen, über die ich vorher lange nachgedacht habe, ohne Grübelei wie von selbst ein.
Es gibt kein Recht auf Stille – aber ich glaube, in unserer lauten Welt mit all ihren Anforderungen ist sie wichtiger denn je. Deshalb gönne ich mir jeden Tag eine halbe bis eine Stunde Stille und reserviere in meinem Terminkalender bereits am Beginn des Jahres einige halbe oder ganze stille Tage, die ich am liebsten mit Meditation und Bewegung in der Natur verbringe. Daraus schöpfe ich Kraft für meinen Alltag. Zum Leben in unserer Ordensgemeinschaft gehört für jede Schwester eine stille Woche im Jahr, die Exerzitien. Für mich ist das ein echter Luxus!
Von Thomas Keating, einem amerikanischen Trappistenmönch und Lehrer des kontemplativen Gebetes, der im November 2018 im Alter von 95 Jahren gestorben ist, stammt das folgende Zitat: „Die Stille ist Gottes Muttersprache. Alles andere ist eine armselige Übersetzung.“
Also ein Grund mehr …
Sr. Silvia-Johanna