„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“ – Wie sehr dieser Ausspruch in manchen Situationen auch auf mich zutrifft, wurde mir besonders deutlich, als ich vor ein paar Jahren einige Tage nach einem Umzug zum Feierabend mein Auto fast automatisch in Richtung meiner alten Wohnung lenkte.
An das Tragen einer Atemschutzmaske beim Einkaufen oder im öffentlichen Raum kann ich mich allerdings auch nach einem halben Jahr mit dem Coronavirus nicht wirklich gewöhnen. Wie oft musste ich schon umkehren, weil ich das Ding wieder mal vergessen hatte! Auch andere Einschränkungen fallen mir immer noch schwer – gerade jetzt, wo steigende Infektionszahlen zum Beispiel menschliche Kontakte und das öffentliche Leben leider wieder stark beschränken. Aber der Schutz der Gesundheit meiner Mitmenschen und meiner eigenen ist mir wichtig. Eine meiner Freundinnen hat ihre Meinung dazu mit dem Spruch auf dem Foto humorvoll-frech zum Ausdruck gebracht. Trotzdem geht es mir wie den meisten Menschen: Ich sehne mich nach Normalität.
Oft höre ich: „Ich will mein altes Leben zurück!“ So gut ich diesen Satz einerseits verstehen kann, besonders, wenn ich an die Menschen denke, deren Existenz durch die Pandemie gefährdet ist, bringt er mich andererseits zum Nachdenken. Will ich das wirklich - alles so, wie es war? Will ich beispielsweise verstopfte Straßen und Innenstädte zurück? Sehne ich mich ernsthaft nach dem Hetzen von Termin zu Termin? Was kann ich in meinem Leben ändern zum Wohl der Schöpfung, meiner Mitmenschen und damit auch zu meinem eigenen? Hat die gegenwärtige Krise im Leben der Gesellschaft und in meinem ganz persönlichen nicht auch manches hervorgebracht, das lohnt, in die Zeit „danach“ übernommen zu werden? Die Erkenntnis, dass so vieles Gute in meinem und unserem Leben gar nicht selbstverständlich ist, sondern ein Grund zur Dankbarkeit? Die Anerkennung und Würdigung der Menschen in Dienstleistungs- und Pflegeberufen? Die Möglichkeit, Probleme auf allen Ebenen zu bearbeiten, die durch das Coronavirus wie unter einer großen Lupe erst deutlich geworden sind? Zeit für Menschen und Dinge, die in „normalen“ Zeiten oft auf der Strecke geblieben sind? Kreative Hilfsbereitschaft?
In allem, was mir schwer fällt, mich manchmal mutlos werden lässt und mir auch Angst macht, spüre ich, wie sich in mir eine ganz zarte Hoffnung regt, dass in der Coronakrise auch eine Chance liegen könnte, Dinge in meinem und unserem Leben zum Guten zu ändern und den Geist der Solidarität mit den Mitmenschen und der Schöpfung über die Pandemie hinaus zu leben. Das wäre etwas, woran ich mich gern gewöhnen würde! Darum möchte ich diese zarte Hoffnungspflanze hegen und pflegen.
Sr. Silvia-Johanna