Wissen Sie noch, wann Sie zum letzten Mal richtig gefeiert haben? So ein echtes Fest? Ich vermute, es war wie bei den meisten Menschen vor Corona. Hochzeiten, Geburtstage, Weihnachten, Ostern – gemeinsames Feiern war in den letzten Monaten (wenn überhaupt) nur sehr eingeschränkt erlaubt und ist leider immer noch nicht spontan und nur mit Vorsicht unter bestimmten Bedingungen und Auflagen möglich. Ich vermisse da wirklich etwas.
Vor gar nicht allzu langer Zeit bestimmten religiöse Feste unser Leben. Meine älteren Mitschwestern erzählen oft davon. Und manches Mal denke ich, dass uns mit der Zeit etwas verloren gegangen ist. Auch wenn nicht jedem die Bedeutung jedes Festes klar war, ging man damals in die Kirche, erlebte Gemeinschaft im gemeinsamen Beten und Singen. Ein Festtag schenkte die Möglichkeit, mal auszuschlafen, gut zu essen und zu trinken, Zeit füreinander zu haben und sich auszuruhen. An diesen Tagen wurde selbst in der Landwirtschaft nur das Allernötigste gearbeitet.
Ich glaube, dass wir Menschen Feste brauchen. Ein Fest hebt mich über den Alltag hinaus, weckt die Erinnerung an etwas, was ich in den täglichen Anforderungen, in Eile und Erschöpfung so oft vergesse und überhöre. Es bringt mich in Berührung mit einer anderen, letztlich göttlichen Realität, in der ich mehr bin als die Summe meiner Leistung, und mit einer Wirklichkeit, in der ich ahne, dass ich zutiefst geliebt bin.
Manchmal habe ich das Gefühl, unser Leben hätte jede Leichtigkeit verloren und sei trotz aller technischen Errungenschaften schwerer geworden. Die aktuelle Corona-Situation verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Mir scheint, unsere Welt werde mehr und mehr zu dem, was ich in einem Buch mal zutreffend mit dem Begriff „Werktags-Welt“ beschrieben fand. Ich vermute, dass diese Entwicklung damit zusammenhängt, dass religiöse Feste in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung verlieren. Umfragen zeigen jedes Jahr, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, was an großen Festen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten, die uns sogar noch einen zusätzlichen freien Tag bescheren, gefeiert wird. Wenn es aber diese göttliche Wirklichkeit, die diesen Festen zugrunde liegt, nicht gäbe oder sie uns vielmehr immer weniger bewusst ist, gibt es natürlich auch nichts zum Feiern. Dann passiert es z.B., dass manche Menschen jedes Jahr trotz Geschenken und gutem Essen das „Weihnachtsgefühl“ vermissen. Dann hinterlässt vielleicht die ausgelassenste Party statt echter Freude nur ein schales Gefühl. Da fehlt der tiefste Grund für Festlichkeit und Feierlichkeit.
Ich bin überzeugt: In jedem Fest feiern wir das Leben und den, der es uns schenkt! Feiern wir also dankbar die Feste, wie sie fallen – auch wenn es zur Zeit wohl wieder nur in kleinerem Rahmen möglich ist.
Sr. Silvia-Johanna