Bei einem meiner Besuche in der Anbetungskirche mitten in unserer Stadt Münster kam zum Ende der Anbetungszeit der Küster in die Kirche, um Vorbereitungen für die anschließende Vesper zu treffen. Dabei stieg er auf einen Schemel, um Schloss und Kette zu lösen, die mir bei meinen bisherigen Besuchen nie aufgefallen waren und die die goldene Monstranz, in der Christus im Brot gegenwärtig ist, vor Diebstahl sicherten. Als der Küster die Kette entfernt hatte, dachte ich spontan: „Jetzt ist er frei!“ Im ersten Moment ärgerte ich mich ein wenig über meinen flapsigen Gedanken, aber plötzlich ging mir auf, dass auch ich Gott manchmal Ketten anlege und ihm die Chance nehme zu wirken. Sogar in der Bibel gibt es eine Stelle, in der es Jesus genau so ergeht: In seiner Heimat kann er einfach kaum Wunder wirken, weil die Menschen ihn als Sohn des Zimmermanns, dessen Familie in der Stadt lebt, zu kennen meinen (Mt 13, 54-58). Sie ordnen ihn ein, stecken ihn in eine Schublade und verstellen sich in der Annahme, zu wissen wer und wie er ist, den Blick auf seine Wunder. Geht es mir nicht häufig ähnlich? Wenn ich meine, zu wissen, was jetzt für mich oder andere das Richtige wäre und Gott am liebsten vorschreiben möchte, was er darum jetzt tun müsste? Wenn ich ihn nur zum Erfüllungsgehilfen für meine Pläne machen will? Wenn ich manchmal fast enttäuscht bin, dass er ganz anders ist und handelt, als ich es mir wünsche? Wenn ich ihn im Grunde gar nicht Gott sein lasse?
Gott lässt uns die Freiheit und schenkt sie uns sogar. Lassen wir unsererseits auch Gott die Freiheit, so zu wirken, wie es seinem Willen und unserem Wohl entspricht?
Sr. Silvia-Johanna